Sucht geht jeden an. Das klingt zunächst wie eine gewagte These, aber je länger ich mich mit dem Thema Sucht beschäftige, umso sicherer bin ich mir. Ich weiß nicht, ob Sucht zum Menschsein gehört, aber in unserer heutigen Welt legt jeder Mensch süchtiges Verhalten an den Tag. Es spielt dabei überhaupt keine Rolle, ob das Suchtmittel Sex, Zucker, Alkohol, Shopping, Kaffee, Sport oder Geld lautet.
Sucht ist in unserer Gesellschaft tief verankert. Trotzdem spricht niemand gern darüber und nur die wenigsten gestehen sich ihre Sucht wirklich ein. Niemand will süchtig sein und tatsächlich nimmt ja auch nicht jede Sucht immer lebensbedrohlich zerstörerische Ausmaße an. Nichtsdestotrotz hat jede Sucht das Potential dazu und wir haben keine Chance mit unserer Willenskraft dagegen anzukommen, auch wenn manche Menschen gegenteiliges behaupten. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sucht nicht allein mit Willenskraft zu überwinden ist, sondern es eine tiefe Auseinandersetzung mit dem eigenen Thema Sucht bedarf. Und das dauert.
Unsere Willenskraft kann im Zusammenhang mit Sucht das Destruktivste sein, was wir uns selbst antun können, denn Sucht hat einen Sinn. Erst, wenn wir den verstehen und für uns persönlich genau betrachten, können wir lernen, gewaltfrei mit der Sucht und damit mit uns selbst umzugehen. Weggehen wird sie nie, wer einmal geraucht hat und der Versuchung wieder erlegen ist, weiß das. Gleiches gilt für jede andere Sucht. Schauen wir uns also mal an, was unsere Süchte uns eigentlich sagen wollen.
Was ist Sucht?
Für Sucht im medizinischen Sinne gibt es ganz klare Definitionen. Gemäß der internationalen Klassifikation ICD-10 ist Sucht durch einen starken Wunsch oder eine Art Zwang definiert, eine gewisse Substanz zu konsumieren. Dabei liegt eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums vor. Bei Beendigung oder Reduktion des Konsums tritt ein körperliches Entzugssyndrom auf. Weiterhin stellt sich eine gewisse Toleranz bezüglich der konsumierten Substanz ein. Dabei werden andere Interessen zunehmend zugunsten des Konsums vernachlässigt, mehr Zeit für den Konsum oder die Erholung davon aufgewandt und der Konsum trotz des Nachweises körperlicher Schädigungen fortgesetzt.
Diese Definition der Sucht trifft für das Verhalten vieler Menschen in Kontakt mit den unterschiedlichsten Substanzen und auch Verhaltensweisen zu. Das gängigste sind in Deutschland natürlich weiterhin Alkohol und Zigaretten und, gemäß der Definition ebenfalls eine Suchtsubstanz, Zucker. Darüber hinaus gibt es natürlich eine ganze Reihe von süchtig machenden Verhaltensweisen. Vom Shopping übers Lügen bis hin zum Spielen, Sex, Sport oder anderen Aktivitäten, die getan werden müssen.
Hat man sich einmal eingestanden süchtiges Verhalten an den Tag zu legen, ist schon viel geschafft. Ein konsequentes Abstreiten oder Verneinen des selbstzerstörerischen Verhaltens ist bekanntlich nicht unbedingt die Seltenheit. Zuzugeben, dass man süchtig nach Süßigkeiten oder Essen im Allgemeinen ist, ist wesentlich schwerer, als sich einzugestehen, dass man Zahnschmerzen hat. Und das hat einen guten Grund, denn unsere Süchte sind uns nützlich.
Suchtmittelkonsum bedeutet Schmerzvermeidung
Um die Entstehung und das Fortschreiten von Sucht zu verstehen, ist es äußerst nützlich sich einmal mit den Bedürfnissen des Menschen zu befassen. Als Menschen haben wir einige grundlegende Bedürfnisse, wie körperliche Unversehrtheit, Nahrung, Sicherheit und Stabilität und in höheren Bedürnisebenen auch den Wunsch nach sozialen Beziehungen, Unabhängigkeit, Freiheit, Stärke, Erfolg, Wertschätzung und vielleicht sogar Selbstverwirklichung.
Sucht kann in jedem dieser Bedürfnisse, das zu irgendeinem Zeitpunkt in unserem Leben nicht erfüllt wurde, begründet sein.
Vereinfacht gesagt: zu irgendeinem Zeitpunkt in deinem Leben hat dein limbisches System gelernt, dass die negativen Gefühle, die durch die fehlende Erfüllung deiner Bedürfnisse entstehen, durch den Belohnungsimpuls des Suchtmittels beseitigt werden können. Das limbische System ist der Teil unseres Gehirns, der ohne unser bewusstes Zutun unsere Gefühle und unser Triebverhalten steuert. Suchtmittel – egal welcher Natur – führen in unserem Gehirn unmittelbar zu einem Dopaminausstoß, der die emotionalen oder auch körperlichen Schmerzen, denen wir in einer Situation ausgesetzt sind, lindert.
Für die meisten Menschen dürfte das Erlernen, dass beispielsweise Schokolade oder Essen hilft, bereits früh in der Kindheit stattgefunden haben. Das gilt vor allem dann, wenn unsere Mütter nicht in der Lage waren unser als Kind vorhandenes Schutz- und Sicherheitsbedürfnis und unser Bedürfnis nach Wahrnehmung und Anerkennung anders zu befriedigen, als mit Zucker oder Essen. Das ist kein Vorwurf an die Mütter, sondern lediglich eine Feststellung. Die Gründe dafür können vielfältig sein (Überforderung etc.) und reichen unter Umständen auch über Generationen und familiär geprägte Verhaltensmuster zurück. Deshalb ist schweres Übergewicht und Essen als Lösung emotionaler Schwierigkeiten durchaus eine Verhaltensweise, die sich über Generationen fortsetzt und wir sehen oft Familien, die vom Opa bis zum Enkel schwer übergewichtig sind.
Das Gleiche gilt fürs Rauchen, Trinken, Shoppen, Spielen und alle anderen Süchte. Sie sind nicht genetisch veranlagt, sondern schlicht ein erlernter Mechanismus mit Schmerzen und den Unannehmlichkeiten des Lebens umzugehen.
Geraten wir also in unserem Leben erneut in schmerzhafte Situationen, z.B. weil unser Chef uns nicht ausreichend lobt, kompensieren wir den emotionalen Schmerz, der daraus entsteht, mit Schokolade oder Essen. Andere Beispiele, die wir oft sehen, sind der Schmerz, der durch Einsamkeit entsteht, durch die fehlende Aufmerksamkeit unserer Partner, durch unbefriedigende Arbeitsverhältnisse usw.
Neben den Gefühlen der Einsamkeit oder fehlenden Anerkennung können auch Gefühle der Trauer, Angst oder ähnlich Unangenehmes, Schmerzhaftes als Ursache für unser individuelles Suchtverhalten angesehen werden.
Solange du deinen persönlichen Trigger, deinen Schmerz also nicht findest, wirst du keine Chance haben deine Sucht los zu lassen. Gegen diese, tief in unserem Unbewussten verdrahtete Strategie der Schmerzvermeidung, kommen wir mit Willenskraft schlicht nicht an, denn unser Körper wird in all seiner natürlichen Intelligenz immer versuchen uns in einem maximal schmerzfreien Gleichgewicht zu halten.
Das innere Kind, Achtsamkeit und Loslassen
Was kann man nun gegen diesen starken Antrieb, der in unserem Inneren stattfindet, tun? Natürlich können wir mit einer Low Carb und Paleo-Ernährung zum Beispiel den biochemischen Reiz grundsätzlich regulieren und minimieren. Ich halte auch die orthomolekulare Medizin für eine sinnvolle Unterstützung, z.B. bei der Behandlung von Depressionen, die nicht allzu selten mit ausgeprägtem Suchtverhalten einhergehen.
Letztendlich nehmen uns diese Therapieverfahren aber nicht die Auseinandersetzung mit uns selbst und die Frage nach unseren persönlichen Schmerzen ab. Dabei geht es nicht darum neue Schmerzvermeidungsstrategien zu lernen, sondern den Schmerz einmal konkret zu betrachten und zu schauen, ob das Gefühl objektiv betrachtet überhaupt noch eine Berechtigung hat.
Denn viele Gefühle und Glaubenssätze, die wir haben, kultivieren wir seit unserer Kindheit, obwohl sie heute überhaupt keine Rolle mehr spielen. Unsere Kindheit ist die Zeit in der wir darauf angewiesen sind, dass unsere Eltern oder Bezugspersonen uns Schutz, Zuneigung, Anerkennung, Nahrung und Sicherheit bieten. Bekommen wir sie nicht und verpassen den Punkt an dem wir uns als Erwachsener bewusst werden, dass wir nun selbst in der Lage sind uns diese Bedürfnisse zu erfüllen, bleiben wir in unserer emotionalen Entwicklung im Stadium des verletzten Kindes zurück und agieren nicht allzu selten „wie ein Kleinkind“ – allerdings eins, das säuft, raucht oder frisst.
Wir vergessen dabei, dass wir als Erwachsene es selbst sind, die nun für Sicherheit und Zufriedenheit zu sorgen haben.
Wenn ich mich also jeden Abend auf dem Sofa mit einer Tafel Schokolade einfinde und beim genauen Hinsehen feststelle, dass ich die Schokolade nun essen muss, weil die Einsamkeit schmerzt, dann wird es vermutlich mein Projekt sein mir das einmal genauer anzusehen. Warum fühle ich mich einsam? Bin ich wirklich einsam? Wenn ja, warum suche ich keine Gesellschaft? Habe ich Angst vor Ablehnung? Woher kommt sie? Werde ich als Erwachsener real abgelehnt oder gab es in meiner Kindheit Situationen, die dazu geführt haben, dass ich mich heute abgelehnt fühle, obwohl das objektiv betrachtet überhaupt nicht wahr ist?
Sascha Fast schrieb neulich, dass das Alleinsein erst einmal nur eine Information ist und, dass es an uns liegt darunter zu leiden oder eben auch nicht.
„Während Alleinsein lediglich eine Information ist, die Erkenntnis eines sozialen Wesens, dass es sich nicht in einem sozialen Kontext befindet, ist Einsamkeit das Leiden an diesem Alleinsein.“ Sascha Fast
Für ihn, wie auch für mich, hat das Alleinsein positive Aspekte. Um die wahrzunehmen, muss ich aber erst einmal aus meinem „verstoßenes, allein gelassenes, verängstigstes Kind“-Modus raus und die Sicht eines Erwachsenen einnehmen. Das bedeutet eingefahrene Glaubenssätze und Gedankenmuster neu zu bewerten, aus der Sicht eines Erwachsenen zu sehen und gegebenenfalls neu zu formulieren.
Die erwachsene Nadja fühlt sich dann Allein plötzlich gar nicht mehr so unwohl, denn sie liest gern mal ein gutes Buch oder schaut sich einen Film an, den ihr Mann sicher nicht sehen will. Außerdem hat sie gern mal Ruhe, um zu hören, was es da eigentlich in ihr gerade denkt. Denn nur, wenn sie dem zuhört, kann sie schädliche Gedankenmuster wahrnehmen und sie vielleicht in Frage stellen. Schließlich ist Nadja jetzt erwachsen, sie braucht nicht ständig jemanden, der auf sie aufpasst und ihr Sicherheit und Aufmerksamkeit bietet. Das kann sie jetzt selbst. Sie muss es sogar selbst, denn jegliche Anerkennung von außen funktioniert nicht langfristig. Und wenn es ihr nicht passt mit dem Alleinsein, dann trifft sie sich mit jemandem, geht zum Sport oder macht irgendwas anderes.
Ähnlich ist das mit anderen Süchten und Schmerzen auch. Die Achtsamkeit für die eigene Motivation das Suchtmittel zu konsumieren ist dabei essenziell. Und erst, wenn du weißt, welcher Schmerz dich zur Schmerzvermeidung treibt, kannst du daran arbeiten dir selbst liebevoller zu begegnen und anfangen, dir die Sicherheit zu geben, die du als Kind in der ein oder anderen Situation gebraucht hättest.
Als Erwachsener bist du dazu vollends in der Lage.
Buchempfehlungen zum Thema
Moin Nadja,
ich finde den Begriff der Sucht alles andere als klar definiert. Mir fehlt dabei der Kontext, was ich in jahrelangen (nicht dauerhaft aber immer wieder) Debatten mit Psychologen bemängelt habe. Kann man von Sucht sprechen, wenn jemand diesen starken Wunsch hat, aber gleichzeitig die Kontrolle darüber hat?
Bis auf das sechste Kriterium, der nachweisliche Schaden, treffen auf mich beispielsweise alle Kriterien der Sucht im Falle des Sports zu (das sechste auch, wenn ich die Verletzungen u.Ä. berücksichtige). Einige Jahre meines Lebens habe ich eben dies zur Eskalation gebracht und das Ergebnis ist, dass ich jetzt genau dadurch wesentlich glücklicher bin und psychisch noch stabiler als vorher.
Deinen Artikel finde ich aber sehr gut und das Thema ist sehr wichtig und gut von dir dargestellt. Du bearbeitest genau das Thema, bei welchem ich große Lücken in der Erforschung des Lebenswandels sehe.
Hallo mein lieber Sascha,
vielen Dank für deine Gedanken. Ich habe dein Video zum Thema Sportsucht gesehen und würde sagen: ja, man kann von Sucht sprechen 😉 Ich verstehe aber, was du meinst. Es stellt sich bei jeder Sucht die Frage, ob man immer und in jeder Lebenslage süchtiges Verhalten an den Tag legt. Das ist von vielen Dingen abhängig, darunter meines Erachtens schwerpunktmäßig die aktuelle emotionale Situation.
Grundsätzlich bietet das Suchtverhalten immer emotionale und psychische Stabilität. Das ist der Grund, warum wir es machen. Bei Zucker, Alkohol, Sex etc. leider nur im Moment des Konsums. Bei Sport unter Umständen auch darüber hinaus, weil der Körper noch vieles andere verändert. Sport ist in meinen Augen auch das einzige Suchtmittel, das die Ursache für die Sucht mittelfristig beheben kann: er macht selbstbewusst und selbstwirksam. Die meisten Menschen entwickeln süchtiges Verhalten, weil ihnen das fehlt. Sie sehnen sich nach Zuneigung und Anerkennung, die sie sich selbst geben müssten. Das Gefühl stark und wertvoll zu sein steigt (meiner Erfahrung nach) mit dem Trainingsstand. Das heißt aber nicht, dass das Problem im Inneren grundsätzlich beseitigt sein muss.
Angenommen du verletzt dich so, dass Sport nicht mehr geht. Kann es passieren, dass du dein Selbstbewusstsein und deine psychische Stabilität verlierst? Und was passiert, wenn gleichzeitig deine Freundin Schluss macht? Erst dann wird deutlich, was du brauchst um stabil zu sein. Ist es Sport? Oder sitzen deine positiven Glaubenssätze schon fest im Sattel? Fragen über Fragen…
Liebe Grüße,
Nadja
Wissenschaftlich müsste man beim Sport die verschiedenen Faktoren trennen. Wir haben physiologische Faktoren wie verbesserte neuronale Gesundheit. Dann gibt es grundsätzliche, vielleicht könnte man sie nicht-individuelle Faktoren nennen. Zum Beispiel der milde Stress, welcher zu einer erhöhten generellen Stressresistenz führt (führen kann?). Und dann haben wir noch individuelle Faktoren: Hat jemand ein Problem mit seiner Figur und beseitigt das, was er als Missstand empfindet, ist das Problem natürlich erstmal vom Tisch. Daran schließt sich dann das an, was in deinem letzten Abschnitt steht:
Wie viel Stütze braucht man? Was ist wenn ich mich verletze, gleichzeitig meine Freundin Schluss macht, mein Hund stirbt, meine Mutter schwer krank wird und ich keinen Kaffee mehr im Haus habe? Psychische Stabilität ist realistisch gesehen nicht voraussetzungslos. Ich könnte das Beispiel umdrehen. Anstatt Sport in den Mittelpunkt zu stellen, könnte ich auch meine zwei Tassen Kaffee pro Woche als Ausgangspunkt der Frage wählen. Ob ich denn trinke oder nicht, juckt mich nicht. Aber wenn ich mich verletze, mein Hund stirbt usw.? Bin ich abhängig von Kaffee oder nicht, wenn ich in dieser Situation auf meinen zwei Tassen Kaffee pro Woche bestehe?
Für mich spiegeln sich hier ganz grundsätzliche begriffliche Probleme mit Sucht wider. Wir haben Verhalten, wir haben das Konzept der Lebenswelt (die Welt, wie man sie sich selbst konstruiert), neurologische Rückkopplungen usw. Alles spielt dabei eine Rolle bei einem dem Thema Sucht. Solche Überlegungen stoßen ganz schnell an die Grenzen der psychologischen Begriffe, weil diese viel weniger bereitstellen kann, als es ihr Anspruch gibt. Das lässt sich an einer einfachen Trickfrage illustrieren:
Ist es ein Zeichen von psychischer Gesundheit, sich für körperliche Krankheit (oder die Gefahr von) zu entscheiden, wenn diese Krankheit zu moralisch guten Ergebnissen führt?
Hallo Sascha, interessante Überlegungen. Danke.
Ich bin trotzdem noch etwas unsicher, ob das tatsächlich eine Rolle für die meisten Menschen spielt (eher nicht). Ich versuche das mal ins echte Leben zurück zu holen und vermute, dass Sucht für die meisten Menschen da beginnt, wo sie eine gewisse Unfreiheit von Dingen verspüren und ihnen vor allem offensichtliche Nachteile daraus erwachsen. Das könnte man bei 2 Tassen Kaffee kaum behaupten, bei 16 vielleicht schon eher. Ich schließe nicht aus, dass die Problematik durchaus mehrdimensional ist und verwebt mit vielen anderen Aspekten des Lebens und Daseins. Vielleicht ist die aktuelle Definition als nützliche Heuristik zu sehen und auch anzuwenden? Mir würde das an der Stelle reichen.
Moin Nadja,
das Kernkriterium ist natürlich das Leiden. Leiden ist erstmal irrtumsbefreit: Wenn jemand denkt, er leidet, leidet er. Aber auch hier tun sich einige Probleme auf. Das für mich Zentralste ist das der Selbsterkenntnis. Je mehr ich mit Menschen zusammenarbeite, desto erstaunter bin ich, wie wenige Menschen überhaupt Zugriff auf ihre eigene Psyche haben. An diesem Punkt kann man als Außenstehender sagen: Da ist ein Problem, während der Betroffene vielleicht sogar sagt, dass genau dies eine Qualität seines Lebens ist. (Meistens in Verbindung mit Generalisierungen auf das Leben an sich)
Das nächste ist direkt das Problem, das Sucht in einen Bedeutungskontext eingebunden ist, für den Sucht, wie du sie beschreibst nur ein Beispiel ist. Dahinter steckt der hilflose Versuch das Bewusstsein in Ordnung zu halten. Ob Sucht, Ablenkung, Betäubung, Urlaube, Karriere, Familie… es spielt nur eine untergeordnete Rolle. Das sind Probleme, die eigentlich schon längst bearbeitet wurden und für die es verschiedene Lösungsvorschläge gibt: Buddhismus, Nihilismus (Nietzsche), Stoizismus und viele mehr.
Meine Zwischenstand dazu ist recht einfach: Allen kohärenten Lösungen ist eines gemeinsam: Zuerst muss man sein Ego auflösen. Dazu gehört heutzutage, dass man sich von der Vorstellung verabschiedet, dass ein glückliches Leben automatisch ein gutes Leben ist.
Viele Grüße
Sascha
Hallo Sascha, du sprichst einige wichtige Punkte an, die mir tatsächlich auch erst so langsam bewusst werden.
Zum Ersten: wenn ich denke, dass ich leide, dann leide ich. Wenn ich denke, dass das hier alles ziemlich geiler Scheiß ist und mir die Welt offen steht, dann leide ich nicht. Im Gegenteil: dann bin ich sogar sehr zuversichtlich. Ich würde behaupten, dass die Rolle des Denkens, sprich der eigenen Wahrnehmung im Zusammenhang zum Fühlen nur wenigen Menschen bewusst ist. Das ist, wie du schreibst, nicht für jeden ein Problem. Tendenziell aber für den, der zu viel denkt. Das hat noch nicht einmal etwas mit positivem Denken zu tun, aber wem erzähl ich das … 😀
Ich teile deinen Zwischenstand durchaus. Wobei ein gutes Leben – was auch immer das für den einzelnen heißen mag – durchaus zu einer Menge Glück führen kann. Und ich glaube nicht, dass dazu jeden Tag eitel Sonnenschein gehört, sondern einfach nur eine bestimmte Form der Wahrnehmung, die sich sicher von dem unterscheidet, was die meisten Menschen tun. Zu Wissen, dass das, was ich denke nur ein Weg ist, meine Umwelt und mich selbst zu bewerten (aufgelöstes Ego?), schafft ein ganzes Stück Freiheit und Gelassenheit.
Liebe Grüße und hab einen schönen 4. Advent! Nadja
Moin Nadja,
ich glaube, dass der Zusammenhang wesentlich stärker ist. Ein gutes Leben kann nicht nur zu einer Menge Glück führen. Ein gutes Leben ist der beste Weg, Glück zu empfinden. (Glück ist am besten zu verstehen, wenn es nicht als Zustand sondern als Prozess sieht)
Viele Grüße
Sascha
[…] und auch durch die Bereiche, mit denen man stark zu kämpfen hat. Nadja hat mit ihrem Beitrag Sucht als Strategie zur Schmerzvermeidung einen ganz wichtigen Nagel auf den Kopf getroffen. Die Frage ist, warum manche Menschen eigentlich […]