Ja, zugegeben. Wir haben überhaupt keinen Zweifel, dass es den Tag geben wird, an dem der Gesellschaft im Ganzen wieder vollkommen klar ist, dass man mit einer fettarmen Hungerkur nicht dauerhaft abnehmen und gesund leben kann. Irgendwann. Bis dahin feiern wir die kleinen Schritte dahin und freuen uns über diesen, gerade frisch erschienenen Review im renommierten „The Lancet“ Magazin. Chris Kresser preist diese Studie in seinem Newsletter gleich als das Ende der fettarmen Diäten, aber ist das wirklich so?
Ein Review ist eine Zusammenfassung von einer Vielzahl von Studien und deren Ergebnissen. Auf diese Weise verschaffen sich Wissenschaftler einen Überblick über die aktuelle Forschungslage und die Erkenntnisse, die in einem bestimmten Fachbereich in den letzten Jahren erlangt wurden.
Diese gerade erschienene Überblicksstudie, die unter der Leitung von Dr. Deirdre Tobias an der Harvard Medical School erstellt wurde, vergleicht 53 klinische, randomisierte Experimente, die ganz ohne Diätshakes, Ergänzungsmittel oder anderweitige Interventionen außerhalb der Ernährung (Sport etc.) zum Abnehmen auskamen. In diesen 53 Studien wurde der Effekt verschiedener Ernährungsformen auf rund 68.000 Teilnehmer gemessen.
Das Ergebnis?
„In weight loss trials, low-carbohydrate interventions led to significantly greater weight loss than did low-fat interventions (18 comparisons; WMD 1·15 kg [95% CI 0·52 to 1·79]; I2=10%). Low-fat interventions did not lead to differences in weight change compared with other higher-fat weight loss interventions (19 comparisons; WMD 0·36 kg [−0·66 to 1·37; I2=82%), and led to a greater weight decrease only when compared with a usual diet (eight comparisons; −5·41 kg [−7·29 to −3·54]; I2=68%).Similarly, results of non-weight-loss trials and weight maintenance trials, for which no low-carbohydrate comparisons were made, showed that low-fat versus higher-fat interventions have a similar effect on weight loss, and that low-fat interventions led to greater weight loss only when compared with usual diet. In weight loss trials, higher-fat weight loss interventions led to significantly greater weight loss than low-fat interventions when groups differed by more than 5% of calories obtained from fat at follow-up (18 comparisons; WMD 1·04 kg [95% CI 0·06 to 2·03]; I2=78%), and when the difference in serum triglycerides between the two interventions at follow-up was at least 0·06 mmol/L (17 comparisons; 1·38 kg [0·50 to 2·25]; I2=62%). When compared with dietary interventions of similar intensity, evidence from RCTs does not support low-fat diets over other dietary interventions for long-term weight loss.“
- In Studien zur Gewichtsreduktion führten Low-Carb-Versuche zu einem deutlich größeren Gewichtsverlust als fettarme Kostformen (18 Vergleiche, gewichtete Standardabweichung 1,15kg).
- Im Vergleich zu fettreicheren Interventionen führten fettarme Interventionen zu keinem Unterschied im Gewichtsverlust (19 Vergleiche, gewichtete Standardabweichung 0,36kg).
- Fettarme Kostformen führten nur zu einem größeren Gewichtsverlust, wenn sie mit der gewöhnlichen, durchschnittlichen Ernährung verglichen wurden (8 Vergleiche, -5,4kg).
- Studien, die fettreiche und fettarme Ernährungsformen ohne Reduktion der Kohlenhydrate verglichen, konnten keinen Unterschied zwischen beidem feststellen.
Fazit
Diese Überblicksstudie zeigt, dass der Langzeiteffekt von fettreduzierten Ernährungsformen auf das Körpergewicht der Probanden von der Intensität der Intervention abhängig ist. Sprich: je mehr an der Ausgnagsernährung verändert wird, desto erfolgreicher kann jede einzelne Methode sein. Die Datenlage aus diesen randomisierten klinischen Studien lässt den Schluss aber nicht zu, dass fettarme Ernährungsformen in Fragen langfristiger Gewichtsreduktion anderen Ernährungskonzepten überlegen sind. Im Gegenteil. Fett spielt quasi keine Rolle bei den Ergebnissen.
Besonders interessant finde ich, dass ein Erfolg mit einer fettarmen Ernährung vor allem dann eintrat, wenn sie mit der gewöhnlichen Ernährung verglichen wurde. Im Ernst? Die Ernährung der meisten Menschen ist ziemlich unnatürlich und mangelhaft. Bildet das wirklich einen Referenzwert mit dem man vergleichen kann? Vor allem dann, wenn es um öffentliche Leitlinien geht?
Auch wenn diese Studie nicht direkt einen Hinweis darauf gibt, dass Low-Carb in irgendeiner Weise überlegen wäre, zeigt sie doch, dass zumindest Fett nicht wirklich ein Übeltäter ist. Sie zeigt aber auch, dass (zumindest kurzfristig) auch Low-Fat funktionieren kann. Die Frage ist doch nur: wie lange, wie erfolgreich und für wen? Wir bleiben also bei unserer natürlichen Low-Carb Ernährung.
Referenzen
D. K. Tobias, M. Chen, J. E. Manson, D. S. Ludwig, W. Willett, and F. B. Hu, “Effect of low-fat diet interventions versus other diet interventions on long-term weight change in adults: a systematic review and meta-analysis,” Lancet Diabetes Endocrinol., Oct. 2015.
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Hallo Nadja,
Je mehr ich diese „Wissenschaft“ verfolge, umso schwerer fällt es mir, das alles ernst zu nehmen. Ich habe das Gefühl, dass die Ernährungswissenschaften den gleichen Fehler machen wie die Wirtschaftswissenschaften: Sie gehen aus Bequemlichkeit von falschen Tatsachen aus. Oder sollte man wirklich davon ausgehen, dass alle Menschen auf die gleiche Weise auf die gleiche Nahrung reagieren? Warum kann nicht für Person x low-carb und für Person y low-fat das beste sein? Wenn ich richtig informiert bin, hat Gewichtsverlust ja viel mit Hormonen zu tun und hinsichtlich der Hormone unterscheiden sich einzelne Menschen teilweise recht deutlich. Einfach alles in einen Topf zu werfen und dann bei jeder Studie andere Ergebnisse zu erhalten, scheint mir nicht der richtige Weg zu sein. … vor allem weil am Ende sowieso jeder das isst, was er essen möchte (um nochmal auf die falschen Annahmen der Wirtschaftswissenschaften zu sprechen zu kommen): Niemand, der sich gerne low-carb abnehmen möchte, weil es ihm besser schmeckt, wird wegen irgendeiner Studie auf einmal low-fat essen.
Ist doch cool, dass es anscheinend zwei Wege gibt. Aber irgendwie mögen die Menschen das nicht akzeptieren. Einer muss immer mehr recht haben als der andere 😀
Ist da was dran, oder kommt mir das nur so vor?
Viele Grüße,
Jan
Hallo Jan,
haha, ja, du hast absolut recht. Ernährung als Wissenschaft ist super schwer, qualitativ quasi unmöglich! Gary Taubes hat das in seinen Büchern und Interviews (youtube) ja wirklich schön auseinander genommen. Die Faktoren auf irgendwelche Parameter sind so vielfältig, gute Studien rar.
Ich glaube, dass der gemeinsame Nenner schlicht möglichst natürliche Lebensmittel sind. Wie viele Carbs und wieviel Fett muss jeder für sich heraus finden. (Aber damit kann man das Thema ja jetzt unmöglich wissenschaftlich abschließen…).
Außerdem sind diese ganzen Studien ein Luxusproblem, das eh nicht dolle relevant ist. Im Prinzip muss man sich nur fragen, was auf dem Teller bleibt, wenn der Supermarkt für immer zu macht. Dann hat der Recht, der überhaupt was zwischen den Zähnen hat. Das klingt übertrieben, aber ist für mich irgendwie die eigentliche Ernährungsfrage, oder? Was meinst du?
Beim Rest frag ich mich immer, ob wir uns nicht nur selbst beschäftigen um Lebenszeit rum zu kriegen ? Wir haben die Antworten darauf doch, oder? Viele Grüße, Nadja
Was du sagst deckt sich recht gut mit meiner Meinung. Und neben der Ernährung gibt es ja auch noch weitere Lebensbereiche, die für die Gesundheit auch nicht ganz unwichtig sind: Schlaf, Beziehung, Fitness und vielleicht noch ein paar weitere. Wenn man versucht, seine Ernährung über ein normales Maß hinaus zu optimieren, dann müsste man das konsequenterweise auch für diese anderen Lebensbereiche machen.
Absolut! Selbstoptimierung macht Spaß, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Dann wird es Stress und die ganze neu gewonnene Lebensqualität durch gutes Essen und Fitness ist wieder Futsch. Balance ist einfach bei allem nötig.