Wenn man sich manchmal durchs Internet wühlt und die dort abgegebenen Ernährungstipps und vor allem Diskussionen in Foren liest, dann gewinnt man manchmal den Eindruck, dass bestimmte Ernährungsformen für jeden unter allen Umständen von Vorteil sind. Low Carb ist so eine Ernährungsform, die polarisiert – entweder du bist dafür oder dagegen.
Aber so einfach ist das nicht.
Low Carb hat als therapeutischer Ernährungsansatz viele Vorteile, die sich in der heutigen Zeit auch für viele Menschen umsetzen lassen. Bei einer Quote von fast 60% Übergewicht in Deutschland, scheint Low Carb tatsächlich sogar für die Mehrheit eine Option. Es ist aber keineswegs ein Weg für jeden.
Auch wenn wir als Spezies viele Gemeinsamkeiten haben, unterscheidet uns doch so einiges: unsere Gene, unsere Lebensumstände, unsere Darmflora, das Ausmaß unserer Bewegung im Alltag, unsere Krankheiten und Wehwehchen und letztlich auch unsere individuellen Ziele. Das alles ist bei jedem Menschen unterschiedlich.
Inhaltsverzeichnis
Für wen ist Low Carb von Vorteil?
Abhängig von den Zielen und Umständen kann die Low Carb Ernährung aber durchaus für einige Menschen sehr hilfreich sein.
So ist Low Carb und auch die ketogene Ernährung erfolgreich in der Behandlung oder Behandlungsbegleitung bei:
- Übergewicht und Fettleibigkeit
- Metabolischem Syndrom
- Diabetes Typ I und II
- Epilepsie
- Parkinson
- Alzheimer
- Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)
- Krebs
Auch very Low Carb, also eine ketogene Ernährung mit weniger als <50g Kohlenhydraten am Tag, hat in bestimmten Fällen ihr Berechtigung. Insbesondere bei Krebs und neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer und Schizophrenie wird derzeit intensiv geforscht und es werden gute Erfolge erzielt.
Das heißt jedoch nicht, dass diese Ernährungsformen nicht auch unerwünschte Nebenwirkungen haben können, die sich über einen längeren Zeitraum einstellen können oder die bei Menschen auftreten, die in ihrer Ernährung nicht gut eingestellt sind. Zum Teil beginnen wir die Auswirkungen, zum Beispiel auf unsere Darmflora, auch erst zu verstehen.
Für wen ist Low Carb nicht gut geeignet?
Während manche Menschen mit Low Carb sehr gut zurechtkommen, gibt es auch einige, für die Low Carb keine gute Option ist.
Schwangere
Kohlenhydrate spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Gehirns des Fötus. Sofern du keine Diabetikerin bist oder unter schwerwiegenden neurologischen Störungen leidest, sehen einige Experten das Risiko einer Low Carb-Ernährung auf die Entwicklung des Fötus als zu groß an. In diesem Fall solltest du dir in jedem Fall Hilfe suchen um die Gesundheit des Kindes nicht zu beeinträchtigen. Eine Ernährung mit moderater Kohlenhydratzufuhr (ca. 30%, d.h. ca. 180g bei 2400kcal) ist für Schwangere deutlich empfehlenswerter.
Ein weiterer Grund, warum Schwangere die Menge der Kohlenhydrate nicht so weit reduzieren sollten, ist die Menge der Proteine, die häufig im Gegenzug erhöht wird. Bei Schwangeren sollten nach Ansicht vieler Experten nicht mehr als 15-20% der täglichen Kalorienzufuhr aus Proteinen, also Eiweiß, stammen. Ein zu hoher Eiweißanteil kann zu einem geringeren Geburtsgewicht und einer erhöhten Mortalität für das Kind führen[2].
Sportler
Für einige Sportler und auch Leistungssportler kann eine gut geplante Low Carb oder gar eine ketogene Ernährung eine interessante Option sein.
Lies dazu auch: So profitieren Sportler von einer ketogenen Ernährung
Andere tun sich mit einer Low Carb-Ernährung aber unter Umständen keinen Gefallen und schaden sich selbst. Auch hier gilt, dass jeder Mensch ein Individuum ist und ganz unterschiedliche Kapazitäten hat. Viele Sportler fühlen sich mit einer moderaten (<30%) oder sogar hohen Kohlenhydratzufuhr (<50%) wohler, sind leistungsfähiger, regenerieren schneller und können ihr Gewicht und ihren Körperfettanteil besser regulieren.
Wir dürfen nicht vergessen, dass Sport in einer gewissen Intensität auch Stress für unseren Körper bedeutet, das heißt, dass der Körper bei einer zu geringen Kohlenhydratzufuhr unter Umständen nicht mehr in der Lage ist die notwendige Hormonproduktion in gutem Maße aufrecht zu erhalten. Mehr dazu findest du im Abschnitt Nebennierenermüdung.
Schilddrüsenunterfunktion
Für die Umwandlung des inaktiven Schilddrüsenhormons T4 in das aktive Hormon T3 benötigt der Körper Insulin. Einer der Hauptgründe für eine Low Carb-Ernährung ist es, den Blutzuckerspiegel und damit auch Insulin niedrig zu halten. Wenn du also mit einer Low Carb-Ernährung typische Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion entwickelst, dann solltest du die Menge der Kohlenhydrate in deiner Ernährung definitiv nach oben korrigieren und deine Schilddrüsenfunktion eventuell auch untersuchen lassen.
Zu den häufigsten ersten Anzeichen gehört:
- Vermehrter Haarausfall
- Kälteempfindlichkeit
- Erhöhter Schlafbedarf, anhaltende Müdigkeit
- Geschwollene Augenlider
- Trockene und blasse Haut
- Gewichtszunahme
- Ausbleibende oder unregelmäßige Monatsblutungen
- Verstopfungen
Nebennierenermüdung (adrenal fatigue)
Ähnliches gilt für eine Erschöpfung der Hormonproduktion in unseren Nebennieren. Der Kern der Nebennierenschwäche ist die Verringerung der Produktion von Kortisol. Es gibt erste Studien, die zeigen, dass Kortisol bei der Einhaltung einer Low Carb-Ernährung angeregt wird[3]. Die individuell richtige Balance ist hier besonders schwer zu finden, da der Blutzuckerspiegel stabil gehalten werden sollte.
Daraus lässt sich aber auch ableiten, dass wir in besonders stressigen Phasen die Zufuhr von Kohlenhydraten eher erhöhen sollten. Das gilt besonders für stressanfällige Menschen. Das heißt nicht, dass ab sofort bei Stress Süßigkeiten gegessen werden sollten. Natürliche und gute Kohlenhydratquellen wie weißer Reis, Süßkartoffeln und auch stärkehaltiges Gemüse sollten hier unbedingt den Schwerpunkt bilden.
Mehr dazu in unserem E-Book: Nebennierenermüdung/Burn-Out
Darmgesundheit
Ähnlich wie die „normale“ westliche Ernährung, verfügt auch die ketogene oder die Low Carb Ernährung über sehr wenige Kohlenhydrate, die für unser Mikrobiom, also die Bakterien in unserem Darm, als Nahrung dienen.
Diese Ballaststoffe, die beispielsweise in Früchten, Gemüse, stärkehaltigen Pflanzen, Nüssen, Samen und Hülsenfrüchten vorkommen, werden von uns nicht verdaut, dienen aber unseren guten Bakterien als Nahrung zur Produktion wichtiger Fettsäuren, die auch für den Zellbau in unserer Darmschleimhaut benötigt werden[1].
Lies dazu auch: Präbiotika: gesundes Futter für die Darmflora
Dieser ansonsten vorteilhafte Effekt des Aushungerns bestimmter Bakterienarten, der durch die ketogene Ernährung erzielt werden kann, kann durch den Konsum resistenter Stärken übrigens für die guten Bakterien abgemildert werden.
Die Frage, welche Auswirkungen die ketogene oder auch eine Low Carb Ernährung für unser Mikrobiom hat, ist noch nicht gut beantwortet. Schließlich haben auch die Inuit in Grönland gesund und weitgehend ketogen gelebt. Sie spielt aber eine große Rolle bei der Beantwortung der Frage, ob Low Carb für dich persönlich langfristig gesund sein kann und wenn ja, wie deine Ernährung individuell ausgestaltet werden sollte. Mit Sicherheit ist hier auch das richtige Verhältnis zu Fett und Proteinen entscheidend.
Fazit
Die Low Carb Ernährung kann für viele Menschen Vorteile bieten, sie ist aber keinesfalls ein Mittel für jeden. Wenn du zu oben genannten Gruppen gehörst oder die beschriebenen Symptome erleidest, solltest du über die Menge der zugeführten Kohlenhydrate noch einmal nachdenken.
Gerade Anfänger sind sich oft nicht so sicher und nehmen tatsächlich viel weniger Kohlenhydrate zu sich, als das überhaupt nötig wäre. Bei manchen setzt eine wahre Phobie vor Obst und stärkehaltigem Gemüse ein. Stattdessen werden sehr große Mengen Protein verzehrt, die ganz sicher mittelfristig nicht von Vorteil sind. Eine Anpassung der Kohlenhydrate kann bei solchen Ernährungsplänen hilfreich sein.
Wie siehst du das? Hast du Erfahrungen mit einer zu geringen Menge Kohlenhydrate gemacht?
Referenzen
[1] E. D. Sonnenburg and J. L. Sonnenburg, “Starving our microbial self: the deleterious consequences of a diet deficient in microbiota-accessible carbohydrates.,” Cell Metab., vol. 20, no. 5, pp. 779–86, Nov. 2014.
[2] “The Danger of Protein During Pregnancy – Perfect Health Diet | Perfect Health Diet.” [Online]. Available: http://perfecthealthdiet.com/2010/07/the-danger-of-protein-during-pregnancy/. [Accessed: 28-May-2015].
[3] C. B. Ebbeling, J. F. Swain, H. A. Feldman, W. W. Wong, D. L. Hachey, E. Garcia-Lago, and D. S. Ludwig, “Effects of dietary composition on energy expenditure during weight-loss maintenance.,” JAMA, vol. 307, no. 24, pp. 2627–34, Jun. 2012.
Das ist ja super interessant zu lesen. Ich habe das Problem mit dem NICHT Abnehmen bei Low Carb und eine Schilddrüsenunterfunktion. Im Moment überschlagen sich meine Hormone eh, da ich wohl in die Wechseljahre komme und an statt ab zunehmen, sogar zunehme. Bei den letzten Blutuntersuchungen war sogar mein Cholesterinspiegel sehr hoch , obwohl ich mich LC ernähre.
[…] oder: Für wen eignet sich die Low-Carb Ernährung (nicht)? […]
Liebe Nadja,
ich liebäugle immer wieder mit der Low-Carb-Ernährung, habe aber einen (manchmal sehr) niedrigen Blutdruck und eine Tendenz schnell zu unterzuckern/zittrig zu werden… Du hast in einem Artikel den Zusammenhang zum Blutdruck erwähnt. Was meinst du? Eher lassen oder eher ausprobieren? Wäre für einen Tipp dankbar!
Herzliche Grüße,
Melanie
Hallo liebe Melanie,
das ging mir früher auch so. Seit Low Carb ist es weg und ich bin viel stabiler. Ich würde es ausprobieren. Wichtig ist, dass klar ist, dass der Körper sich nicht von heute auf morgen umstellt und es eine Zeit dauern kann, bis er zuverlässig für sich selbst sorgen kann und auf Fettreserven zurück greift. Die ersten Wochen ist es wichtig, dass man regelmäßig isst. Manche haben am Anfang das Gefühl, dass sie zu Beginn in der Menge unwahrscheinlich viel essen müssen, um klar zu kommen. Das legt sich wieder. Du musst auch nicht von heute auf morgen alles anders machen, sondern vielleicht einfach Schritt für Schritt reduzieren. Für mich persönlich hat das besser funktioniert. Der Unterzucker verschwindet garantiert, wenn dein Körper lernt auf seine Reserven zurück zu greifen. Das wirkt sich übrigens auch auf die Stimmung aus 😉
Liebe Grüße,
Nadja
Liebe Nadja Polzin,
also, ich habe keine der oben genannten Krankheiten oder Probleme, aber trotzdem hat das für mich nicht funktioniert. Ich lebe seit Jahren fast zuckerfrei, weil ich Zucker nicht vertrage und schon von recht wenig Magenkrämpfe bekomme. Ich vermisse ihn allerdings auch nicht, war schon immer eher für Schinkenbrot statt Kuchen. Ganz selten mal ein Stück Schokolade, aber sonst kann Süßkram bei mir zu Hause monatelang unbeachtet rumliegen. Aus dem gleichen Grund esse ich mit Ausnahme von Beeren nicht gern Obst, aber Unmengen von Gemüse und Salat.
Ganz, ganz anders, als ich versucht habe, ohne Brot, Kartoffeln und Reis zu leben und abends (zum Beispiel) Fisch mit Spinat zu essen.
Ich bin mit unglaublichem Heißhunger auf Süßes mitten in der Nacht aufgewacht und buchstäblich zitternd wie ein Junkie auf Entzug gen Küche geschlichen, um im Zweifelsfall das Honigglas auszulöffeln (wie gesagt, es gibt sonst nicht viel Zuckerhaltiges.)
Habe ganz schnell entschieden, dass das so eher kontraproduktiv ist. Kennt man solche Reaktionen auf Low Carb-Diäten? Kann es sein, dass es einfach Stoffwechseltypen gibt, für die das nicht so gut funktioniert, oder sollte man einfach dranbleiben? Ich kann mir allerdings auch langfristig ein Leben ohne Kartoffeln und (vor allem schwarzen) Reis nur sehr schwer vorstellen, da geht es mir ähnlich wie manch anderem mit Schokolade oder Pizza… würde mich einfach interessieren, ob andere ähnliche Erlebnisse hatten.
Viele Grüße und Danke für die interessanten Blogposts und für die Rezepte!
Franziska
Liebe Franziska,
das hast du gut gemacht. So soll es natürlich nicht sein und dein nächtliches Aufwachen ist ein klares Zeichen für Unterzucker. Ich sag es mal so: wenn du Kartoffeln, Reis und Brot in Maßen isst, kann es gut sein, dass du bereits Low Carb lebst.
Sofern du auf Zucker verzichtest, ist das sogar ziemlich wahrscheinlich.
Low Carb bedeutet nicht, dass du diese Lebensmittel gar nicht mehr essen kannst. Im Gegenteil. Die wesentlichen Zucker und Kohlenhydratlieferanten in der westlichen Welt sind Säfte, Softdrinks, Süßigkeiten usw. Wichtig ist *immer*, dass du dich wohl fühlst, dein Gewicht ok ist und du keine gesundheitlichen Beschwerden hinnehmen musst.
Höre auf deinen Körper und iss Kartoffeln, wenn dir danach ist. In meiner Erfahrung sind ein paar Kartoffeln oder 1-2 Handvoll Reis nicht das Problem. Viele Frauen fühlen sich damit ohnehin wohler. Mach dir also ruhig etwas Reis zum Gemüse und nicht so viele Gedanken 🙂
Liebe Grüße, Nadja
Hallo, habe mit Interesse den Artikel gelesen.
Ich musste aufgrund vieler Lebensmittel Unverträglichkeiten vor 1,5 Jahren meine Ernährung umstellen.
( Kasein, Soya, Weizen, Ei- Eiweiß, Hefe, Mais, Erbsen, Bohnen, ein paar Nüsse etc)
Ich habe natürlich abgenommen, was ein toller Nebeneffekt war, ich aber eigentlich schon sehr dünn bin ( 159 cm, 47,6 kg)
Seit Jänner mache ich LC relativ strikt
Und esse va 50 gr KH pro Tag…bei 1360 kcal pro Tag
Ich habe auch Epilepsie, nehme Tabletten.
Ich halte mein Gewicht super, nur habe ich das Gefühl, ständiger Müdigkeit, Gereiztheit, Schwäche in den Beinen, konzentrationsprobleme bzw „ Nebel“ oder „ Verschleierung“ vor den Augen.
Stellt sich nun die Frage- ist es von Wechselbeschwerden oder esse ich zu wenig?
Der Trainer meines Mannes meinte, 50 gr ist zu wenig und ich soll erhöhen und auch mindestens 1400 kcal zu mir nehmen, ich habe deshalb zu wenig Energie und Kraft.
Hinzu kommt, ich habe auch Vit D Mangel… aber nicht so viel. Rest vom Befund ist gut.
Vielleicht gibt es hier einen Tipp für mich?
Sport mache ich 1x Wo Pilates und 2x zu Hause je 30 min auf der Matte.ich bin 52 Jahre.
Ich bin in einigen LC Foren… und manches Mal denk ich, mich belastet dieses Thema KH. Fühle mich aber generell vom Darm her wohler. Ich esse von 1360 kcal
15% KH, 25
0% Protein und 65% gesunde Fette
Liebe Grüsse
Liebe Elisabeth, ich biete leider keine individuelle Beratung in den Kommentarfeldern an. Wenn du sprechen möchtest und einen Tipp haben möchtest, kannst du gern ein kostenloses Erstgespräch im Rahmen meines Coachings in Anspruch nehmen. Hier findest du weitere Informationen: http://blog.foodlinx.de/ernaehrungscoaching-paleo-low-carb/ Liebe Grüße, Nadja Polzin