Cholesterin hat einen schlechten Ruf. Arterienverstopfend solle es sein und zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Aber was ist wirklich dran an den Vorwürfen? In diesem Artikel erfährst du wie wichtig Cholesterin im Körper eigentlich ist, warum Gesamtcholesterin kein Risiko-Marker für Herz-Kreislauferkrankungen ist und auf welche Werte du in Wirklichkeit schauen solltest.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Cholesterin überhaupt?
Cholesterin ist ein sogenanntes Sterol, darum heißt es auch auf Englisch „Cholesterol“. Es wird zwar zur Stoffgruppe der „Lipide“ gezählt, ist aber kein Fett. Cholesterin ist, so wie auch mehrfach-ungesättigte Fettsäuren, sensibel gegenüber Oxidation.
Beim Menschen wird Cholesterin vor allem in der Leber und der Darmschleimhaut synthetisiert, d.h. unser Körper kann es selbst herstellen. Die Produktion von Cholesterin wird durch die Anwesenheit von Cholesterin selber und seiner Vorstufe reguliert. Diese Art der Regulation nennt man auch negative Rückkopplung[1].
Funktion im Körper
Cholesterin ist ein lebensnotweniges Molekül und Bestandteil JEDER Zelle im menschlichen Körper. Da Cholesterin nicht wasserlöslich ist, muss es für den Transport im Blut an spezielle Transportproteine gebunden werden. Diese Transportproteine, auch Lipoproteine genannt, werden anhand ihrer Dichte unterschieden und heißen – Chylomikronen, VLDL, IDL, LDL, HDL und Lipoprotein a.
Zellmembran
Cholesterin ist ein integraler Bestandteil der Zellmembran. Es verleiht einerseits Stabilität und ist andererseits an dem Stofftransport durch die Zellmembran beteiligt. Über 95% des Cholesterins befindet sich in Zellmembranen oder den Zellen selber.
Bildung von Vitamin D
Um Vitamin D in der Haut unter Einwirkung von UV-Strahlung produzieren zu können, wird ein Zwischenprodukt der Cholesterinsynthese benötigt. Das 7-Dehydrocholesterin ist das Provitamin (Vorstufe) zu Vitamin D.
Bildung von Gallensäure
Cholesterin wird benötigt um in der Leber Gallensäure zu synthetisieren. Die Gallensäure ist unerlässlich für die Fettverdauung. Sie emulgiert die wasserunlöslichen Nahrungsbestandteile und vergrößern so die Oberfläche und verbessern die Wirksamkeit von Verdauungsenzymen. Gallensäure und Cholesterin wird normalerweise im letzten Dünndarmabschnitt resorbiert.
Bildung von Sexualhormonen
Pregnenolon ist ein sogenanntes Prohormon. Pregnenolon wird aus Cholesterin synthetisiert. Pregnenolon bildet die Ausgangsverbindung für die Hormone Testosteron, Östradiol und Progesteron, sowie für die Nebennierenhormone Cortisol und Aldosteron.
Wir sehen also: Cholesterin ist ein sehr wichtiger Bestandteil unseres Körpers und an zahlreichen Prozessen beteiligt.
Gesamt Cholesterin ist kein Risikomarker
Auch wenn leider viele Ärzte immer noch alleine auf das Gesamtcholesterin achten und basierend auf diesem auch Medikamente verschreiben, ist die Datenlage mehr als nur uneinheitlich. Ohne jetzt zu sehr in die Details zu gehen, hier zwei der wichtigsten Studien zu dem Thema.
Framingham Heart Study
Framingham ist ein Ort in Massachusetts (USA). Beginnend 1948 wurde ein Studie von nie da gewesener Größe ins Leben gerufen. Der Initiator war die NIH (National Institute for Health). Die Studie sollte ein für alle Mal klären, ob Cholesterin ein Risikomarker für Herz-Kreislauferkrankungen ist[2].
In den 1980er Jahren kam, 30 Jahre nach Beginn der Studie, eine Zusammenfassung der gesammelten Daten heraus.
Frauen und Männer:
*TC = Total Cholesterol (Gesamtcholesterin) **CVD = Cardio Vascular Disease (Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
TC* 205 – 264 mg/dl = kein Zusammenhang zu CVD**
50% der Leute mit Herzinfarkt, waren UNTER 220mg/dl
Männer zwischen 48 – 57 Jahre:
CVD↑ 183-222 mg/dl
CVD↓ 222-262 mg/dl
Außerdem fanden die Forscher, dass pro 1mg/dl weniger Cholesterin, ein Anstieg von 11% der Sterblichkeit zu beobachten war[3].
„For each 1 mg/dl drop of cholesterol there was an 11% increase in coronary and total mortality“
Dies ist nur eine von vielen Studien und Meta-Analysen, die den Zusammenhang zwischen Cholesterin und Herz-Kreislauferkrankungen deutlich in Frage stellen.
Höher Cholesterinspiegel wirkt schützend im Alter[4]
In einer finnischen Studie mit 490 Senioren (>75 Jahre), fanden die Forscher heraus, dass Senioren mit einem niedrigen Gesamtcholesterin eine ERHÖHTE Sterblichkeit aufwiesen, als die Individuen mit einem erhöhten Cholesterinspiegel.
Keine Angst vor Eiern
Auch wenn man sich noch uneins ist, ob erhöhte Cholesterinwerte im Blut nun ein Risiko darstellen, oder nicht. Dass Cholesterin in der Nahrung, keinen Einfluss auf Cholesterinwerte im Blut haben, und man daher auch keine Beschränkung dahingehend braucht, ist mittlerweile weithin bekannt.
Dies sieht man auch in den neuen US Dietary Guidelines 2015. Sie geben KEIN Aufnahmelimit für Cholesterin aus der Nahrung an.- Bis dato galt die Empfehlung, nicht mehr als 300mg pro Tag zu sich zu nehmen. Diese Grenze fällt und Cholesterin ist KEIN „bedenklicher Nährstoff“ mehr.
“Cholesterol is no nutrient of concern” – US Dietary Guidelines 2015
Worauf solltest Du achten?
Wenn nun Gesamtcholesterin kein guter Anhaltspunkt ist, worauf sollte man dann schauen? Die wichtigsten Risikofaktoren sind niedriges HDL und hohe Triglyceride. Eine gute Möglichkeit das eigene Risiko abzuschätzen, ist die Berechnung der Triglyceride/ HDL Ratio. Hier sollten Frauen unter 3,5 und Männer unter 2,5 liegen.
Referenzen
[1] Voet & Voet, Biochemistry (second Edition), S. 694–704, Verlag Wiley & Son’s
[2] William Castelli, MD, Framingham Heart Study, Archives of Internal Medicine; Vol. 152, July 1992
[3] The Lipid Research Clinic’s coronary primary prevention trial results. 1. Reduction in incidence of coronary heart disease. JAMA 1984;251:351-64. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6361299?dopt=Abstract
[4] Tuikkala, P. 2010. Serum total cholesterol levels and all-cause mortality in a home-dwelling elderly population: a six-year follow-up Scand J Prim Health Care. 28(2): 121–127
Bildquelle: Thomas Francois – fotolila.com
Hey Julia!
Genau meine Rede. Interessant übrigens wie das überhaupt zu Stande kam:
https://www.youtube.com/watch?v=E7-1cZJcTFA
Gruß,
Ben
Hallo Ben,
ja voll spannend. Das ist wie ein Krimi. Aber man muss ja auch verstehen, dass wir lange Zeit nur Cholesterin messen konnten. Dann haben wir entdeckt, dass es noch LDL und HDL gibt und jetzt wissen wir dass es hier auch wieder unterschiedliche Partikel gibt. Na sehr spannend auf jeden Fall.
Hallo Julia,
gerade zufällig auf diesen Artikel gestoßen. Erst einmal vielen Dank für den interessanten Beitrag. Was ich nicht ganz verstehe ist die Vorangehensweise der Ärzte. Wieso achten die nicht auf die Gesamtcholesterin-Werte – etwa um es sich leicht zu machen und den typischen Standard zu verschreiben? Manchmal wirkt es so, als sollten nur noch Oberärzte operieren, Medikamente verschreiben, usw.
Das Problem ist, dass die Ärzte NUR auf das Gesamtcholesterin schauen und nicht auf die anderen Marker. Gesamtcholesterin ist kein Risikomarker für Herz-Kreislauferkrankungen. Viel wichtiger sind die Triglyceride und die Triglyceride/ HDL Ratio. Was auch viele nicht wissen ist, dass LDL nur berechnet wird und die verwendete Formel das LDL überschätzt, wenn die Triglyceride niedrig sind.
Cordova et. al. http://acb.sagepub.com/content/50/1/13.short
Hallo Julia,
ich mache seit ca. 9 Monaten eine ketogene Diät, um meine Migräne in den Griff zu bekommen, was mir auch sehr gut gelungen ist. Ich esse daher sehr viel Fett (Kokosöl, Butter, fette Käsesorten, fettes Fleisch, auch mal Speck und neuerdings MCT-Öl) und auch viele Eier. Meine Hausärztin ist ziemlich besorgt hinsichtlich meines Cholesterinwertes, der bei 257 liegt und hat mir nahe gelegt das mit der fetten Nahrung lieber sein zu lassen oder zumindest nur pflanzliches Fett zu essen („wenn Sie nicht wollen dass Ihre Arterien total verkleben“). Mein Wert vor ca. einem Jahr lag bei 239, ich bin weiblich, 41 Jahre, keine „Risikofaktoren“.
Ich habe leider auf meinem Befund keinen Wert bzgl. HDL oder LDL finden können, muss dies extra beauftragt werden? Leider ist meine Ärztin jetz 2 Wochen im Urlaub….
Meine Frage:
1. muss ich mir Sorgen machen? Ist der Wert so ungewöhnlich? Oder – wie oben von Dir geachrieben – erst mal den HDL und LDL Wert rausfinden? Frage wie?
2. ich habe mir überlegt ggf. auf tierische Fette zu verzichten (also eher mageres Fleisch zu essen) und dies dann mit Kokosöl anzureichern damit ich meine ketogene Ernährung fortführen kann. Macht das Sinn?
Muss sagen, das hat mich heute ziemlich niedergedrückt, bis ich hier gelesen habe dass das ggf. gar nichts zu bedeuten hat. Möchte meine ketogene Ernährung beibehalten, weil es mir gut tut.
Danke vorab und Kompliment für die tollen und verständlichen Artikel!
Hallo Tiziana
Ich kann gut verstehen, dass man da ordentlich verunsichert wird. Also, Grundsätzlich brauchst du dir mit 257 mg/dl Cholesterin keine Sorgen machen. Wichtig sind eben die anderen Marker wie HDL, LDL und Triglyceride. Normalerweise wird HDL und LDL immer mitgemessen. Dass das deine Ärztin nicht macht, wundert mich. Die Vorstellung dass Fett aus der Nahrung die Arterien „verkleben“ würde ist zwar schön plakativ, aber einfach fachlich falsch. Die Hauptursache für Arteriosklerose ist das Rauchen – frag mal deine Ärztin wie viel Fett in so einer Zigarette ist?? Nix, genau. aber was macht Rauchen? Es führt zu massiven Entzündungsvorgägnen im Körper. Entzündung treibt Arteriosklerose. Tierische Fett sind ein zentraler Bestandteil unserer Ernährung seit 2 Millionen Jahren und haben uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Zucker und Pflanzenöle gibt es erst seit kurzer Zeit.
Wenn du dir tatsächlich Sorgen machst. Dann lass folgende Werte bestimmen HDL und LDL (nicht berechnet), die LDL Subfraktionen (Partikelgröße der LDL Partikel) und optional LDLox (oxidiertes LDL)
Ich bin natürlich kein Arzt und kenne auch deine gesamte Familiengeschichte nicht. Darum ist das hier nur als allgemeine Info zu sehen.
lg
Julia
Das würde mich auch brennend interessieren. Meine LDL – Werte sich angeblich auch zu hoch.
[…] Wichtiger als der Gesamtcholesterinwert sind übrigens die Triglycerid- und HDL-Werte, die in einem guten Verhältnis zueinander stehen sollten. Die Triglyceride-zu-HDL Ratio sollte bei Frauen unter 3,5 und bei Männer unter 2,5 liegen. Einen vollständigen Überblick zum Thema findest du hier ›› […]