Was bei Ur-Oma noch selbstverständlich war, ist für uns Supermarkt-verwöhnte, moderne Menschen schon gar nicht mehr so normal: fermentierte Lebensmittel. Dabei hat die traditionelle Methode zur Haltbarmachung von Lebensmitteln nicht nur einen praktischen Nutzen, sondern trägt auch erheblich zur Gesundheit bei. In den letzten Jahren wird das heimische Fermentieren deshalb immer beliebter. Kwas, Kombucha und Kimchi erobern die deutschen Küchen. Aber warum ist Fermentation eigentlich eine gute Idee?
Inhaltsverzeichnis
Was ist Fermentierung?
Fermentierung ist ein Prozess zu Haltbarmachung von Lebensmitteln, der bereits seit Jahrhunderten überall auf der Welt genutzt wird. Laut Branden Byers, dem Autor des Buches „Fermentierung für Einsteiger“, ist Fermentierung ein mikrobieller Umwandlungsvorgang, der einst sogar für Zauberei oder ein Geschenk der Götter gehalten wurde.
Durch die Fermentierung wird Nahrung in vorhersehbarer, aber trotzdem überraschender Weise, verwandelt. Ganz normales Gemüse wird zu einer köstlichen, sauren und nahrhaften Leckerei; Milch verwandelt sich von einem sehr leicht verderblichen Lebensmittel in etwas, das unter Umständen jahrelang haltbar ist; und Getreide, Früchte oder Honig haben das Bewusstsein der Menschen schon vor Jahrhunderten benebelt, da ihr Zuckergehalt dank Fermentierung zu Ethanol umgebaut wird. All dies geschieht durch die Kraft der mikrobiellen Umwandlung.
Ausgelöst wird diese Umwandlung von Lebensmitteln, die auch als kaltes Kochen bezeichnet wird, durch Bakterien, Hefen und Schimmelpilze, die die organischen Materialien in einer sauerstofffreien Umgebung aufspalten. Das Prinzip ist das gleiche wie das Verderben von Lebensmitteln, nur, dass die Fermentierung als kontrollierter Prozess auf dem schmalen Grat zwischen frisch und verdorben stattfindet.
Die meisten von uns kommen jeden Tag mit fermentierten Lebensmitteln in Kontakt. Brot, Kaffee, Essig, Schokolade oder Wein – ohne Fermentierung wäre das alles auch heute kaum möglich.
Warum sollte ich fermentierte Lebensmittel essen?
Gesundheitlich betrachtet ist Fermentierung ein echter Glücksfall, denn der regelmäßige Genuss fermentierter Lebensmittel erspart uns ein paar Pillen und Tröpfchen, die gerade in der modernen Welt immer beliebter werden. Fermente enthalten eine Vielzahl an Bakterien, die unser Mikrobiom (ehem. Darmflora) unterstützen und ihm helfen zu florieren und unsere Darmschleimhaut effektiv vor Eindringlingen zu beschützen.
Unsere Darmschleimhaut ist mit rund 500m² die größte Kontaktfläche unseres Körpers nach außen. Sie ist das Zentrum unseres Immunsystems und die auf ihr lebende Bakterienwelt ist ein wichtiger Teil davon. Ist die Bakterienwelt auf unserer Darmschleimhaut gestört, kann das zu allerlei gesundheitlichen Problemen führen. Man kann sich das vorstellen wie einen Rasen, der sich auf der Schleimhaut breit gemacht hat.

Gesunder Darm
Ist dieser Rasen kaputt, was zum Beispiel durch Stress, mangelhafte Ernährung oder Medikamenten (Antibiotika, Schmerzmittel etc.) passieren kann, dann entstehen schnell Wasserlöcher auf der Wiese. Ein Fußballspiel ist auf dieser kaputten Wiese dann nicht mehr möglich. Ähnlich ist das in unserem Darm, nur, dass die Wasserlöcher dazu führen, dass verschiedene Pathogene und Eiweiße ohne Umwege in unseren Körper gelangen können und dort unser Immunsystem angreifen. Dieser Vorgang führt wiederum zu allerlei Beschwerden an den verschiedenen Stellen unseres Körpers.

Prinzip „Leaky Gut“
Bei der Fermentation von Lebensmitteln vermehrt sich eine Vielzahl von Bakterien, Hefen und Schimmelpilzen in der Nahrung, wobei die wichtigste Bakterienfamilie die Familie der Milchsäurebakterien ist. Auch, wenn wir heute noch nicht wissen, wie genau unser Mikrobiom beschaffen sein sollte und wovon das abhängig ist, wissen wir doch, dass Milchsäurebakterien allerlei positive Auswirkungen auf unseren Körper haben können. Vor allem plötzlich auftretenden Allergien, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, „Reizdarm“ und damit einhergehende Hauterkrankungen, aber auch psychische Beschwerden wie Depressionen wurden bereits mit einer bakteriellen Dysbiose und einen „leaky gut“ in Verbindung gebracht[1]–[5]. Bei all diesen Beschwerden ist der regelmäßige Genuss fermentierter Lebensmittel und guter Knochenbrühe eine gute Idee um das Mikrobiom zu stärken, ein gutes saures Umfeld im Verdauungstrakt zu schaffen und die Darmschleimhaut zu schützen.
Im Gegensatz zu den meisten Pillen ist das Schöne an lebender Nahrung, dass die meisten fermentierten Produkte die Nahrung für diese Bakterien gleich mitliefern: Ballaststoffe. Ballaststoffe sind die für uns unverdaulichen Kohlenhydrate aus Gemüse, Obst, Nüssen, Samen und auch Getreide, die nicht in unseren Blutzucker umschlagen, sondern als Nahrung für unser Mikrobiom zur Verfügung stehen. Die zahlreichen Bakterienarten in unserem Darm produzieren daraus Fettsäuren, die dann wiederum über unsere Darmschleimhaut aufgenommen werden können. Sie dienen dort einer gesunden Zellstruktur und werden dringend für eine gesunde Darmschleimhaut benötigt.
Was kann fermentiert werden?
Im Prinzip kann alles fermentiert werden, was ein echtes und natürliches Lebensmittel ist. Wer schon einmal in Skandinavien war, weiß, dass man sogar Fisch fermentieren kann. Im Rest der zivilisierten Welt nutzt man die Fermentierung aber kaum noch für tierische Lebensmittel (außer Milch), sondern vor allem für die Haltbarmachung von Pflanzen.
Am häufigsten landen alle möglichen Kohlsorten in Gläsern, aber vor allem für Getreide und Hülsenfrüchte ist die Fermentation ein wichtiger Vorgang für die Zubereitung, denn erst der Fermentationsprozess macht diese Pflanzen für uns genießbar und verträglich. Bei der Fermentierung werden aus diesen pflanzlichen Lebensmitteln Phytinsäuren und auch Lektine, die unseren Darm irritieren können, abgebaut. Traditionell wurde Getreide und Soja deshalb nicht roh verzehrt oder einfach im Ganzen gemahlen, sondern immer fermentiert.
Rezepte zur Fermentation gibt es für
- Getreide
- Hülsenfrüchte
- Kohl, z.B. Weißkohl, Rosenkohl o.ä.
- Karotten, Bohnen
- Lauch
- Rote Zwiebeln
- Reis
- Soja
- Tee
- Milch
- u.v.m.
Für die Fermentierung von Milch und Tee werden meist Starterkulturen, wie z.B. Kefirknollen oder auch Kombucha Hefepilze, sogenannte Scoby, verwendet. Alle anderen Lebensmittel können auch mit Wild-Hefen aus der Luft fermentiert werden.
Kann man fermentierte Lebensmittel kaufen?
Dazu gibt es ein ganz klares jein. Natürlich ist die Fermentierung Teil unserer Lebensmittel-Kultur und viele Lebensmittel werden im Herstellungsprozess traditionell fermentiert um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Ohne Fermentierung wäre auch heute kein Joghurt denkbar. Wirklich „lebende“ industrielle Lebensmittel sind aber immer schwieriger zu finden. Sauerkraut wird heute aus hygienischen Gründen oft pasteurisiert und damit abgetötet. Zurück bleibt nur der Geschmack von Milchsäure.
Auf einigen Märkten findet man noch offene Sauerkraut- und Gurkenfässer. Hier kann man sicherlich gut zugreifen. Ich habe echte lebende Fermente im Kohlosseum in Dithmarschen (Deutschland’s größtes Kohlanbaugebiet) gefunden. Es lohnt sich auf jeden Fall das Etikett genau zu studieren.
Einige Bio-Firmen werben mittlerweile bei Getränken wie Sauerkrautsaft oder Rote Beete Saft damit, dass sie milchsauer vergoren sind. Industriell hergestellter Kombucha wird zur Haltbarmachung ebenfalls noch einmal erwärmt, was dazu führen kann(!), dass er letztlich auch eher tot als lebendig ist. Über Zucker müssen wir bei Kombucha nicht reden, denn er gehört nun einmal dazu. Nur so kann der Hefepilz leben und sich ernähren.
Und letztlich gibt es guten, lebenden Naturjoghurt bei einigen Demeterhöfen. Wer besonders viel Wert auf Bakterienkulturen legt, verzichtet auf Joghurt mit der Bezeichnung „mild“ (im Supermarkt fast unmöglich). Diese Bezeichnung bekommt Joghurt dann, wenn er weniger Bakterienkulturen hat, die noch dazu nicht so sauer sind. Der Verbraucher will das wohl so.
Fermente selber machen
Am lustigsten ist es aber, Fermente selbst zu machen und die eigene Küche in ein quasi-lebendes Lager zu verwandeln. Ich habe immer wieder eine Riesenfreude daran zu sehen und zu probieren, was die Natur da mit den Lebensmitteln macht.
Ein tolles Buch zu diesem Thema ist letztes Jahr im Plassen Verlag erschienen. Branden Byers „Fermentierung für Einsteiger“ macht auch dem letzten Muffel Lust auf eigenes Kimchi, Kefir und Ginger Beer.
Jetzt im Winter dauert der Prozess zwar etwas länger, aber am gut geheizten Ofen fermentiert auch der trägste Kombucha in kurzer Zeit.
- Branden Byers, Birgit Irgang (Übers.)
- Herausgeber: books4success
- Taschenbuch: 224 Seiten
Referenzen
[1] A. M. Castellazzi, C. Valsecchi, S. Caimmi, A. Licari, A. Marseglia, M. C. Leoni, D. Caimmi, M. Miraglia del Giudice, S. Leonardi, M. La Rosa, and G. L. Marseglia, “Probiotics and food allergy.,” Ital. J. Pediatr., vol. 39, p. 47, Jan. 2013.
[2] K. N. Lee and O. Y. Lee, “Intestinal microbiota in pathophysiology and management of irritable bowel syndrome.,” World J. Gastroenterol., vol. 20, no. 27, pp. 8886–97, Jul. 2014.
[3] A. V. Rao, A. C. Bested, T. M. Beaulne, M. A. Katzman, C. Iorio, J. M. Berardi, and A. C. Logan, “A randomized, double-blind, placebo-controlled pilot study of a probiotic in emotional symptoms of chronic fatigue syndrome.,” Gut Pathog., vol. 1, no. 1, p. 6, Jan. 2009.
[4] R. Bringiotti, E. Ierardi, R. Lovero, G. Losurdo, A. Di Leo, and M. Principi, “Intestinal microbiota: The explosive mixture at the origin of inflammatory bowel disease?,” World J. Gastrointest. Pathophysiol., vol. 5, no. 4, pp. 550–9, Nov. 2014.
[5] L. V McFarland and S. Dublin, “Meta-analysis of probiotics for the treatment of irritable bowel syndrome.,” World J. Gastroenterol., vol. 14, no. 17, pp. 2650–61, May 2008.
Artikelbild: fotolia.com – godunk13
Ich habe leider noch gar keine erfahrung mit fermenten, finde den artikel total spannend und hilfreich. Mein arzt hat es mir ans herz gelegt und da stosse ich auf euren artikel..;-) ich möchte und werde es unbedingt ausprobieren, allein aus gesundheitlichen gründen ( darm). Von daher wärs schon super, wenn ich das glück hätte zu gewinnen.. 😀
Hallo Petra, unbedingt! Was für ein toller Arzt, ich bin begeistert! Viel Glück für die Verlosung. Liebe Grüße, Nadja
Nach den ersten Versuchen mit Kokosjoghurt und Sauerkraut fermentieren gerade Knoblauch, Orangenschalen und Brombeerblätter in meiner Küche. Die ersten Bläschen steigen schon in den Gläsern auf und ich freue mich schon jetzt auf die Ergebnisse. Als Einsteigerin in die Fermentation würde ich mich natürlich riesig über etwas Literatur zu dem Thema freuen!☺ Vielen Dank für den schönen Artikel!
Hallo,Ich würde sehr gerne mal Kimchi selber machen.Ich habe schon Joghurt mit Kulturen selbst hergestellt.Wäre toll,wenn ich das Buch gewinnen würde.:-)
Liebe Gerlinde, herzlichen Glückwunsch! Der Zufallsgenerator hat dich gezogen. Ich schreibe dir parallel noch eine Mail und wünsche dir viel Freude mit dem Buch! LG Nadja
…meine Grossmutter machte ihr Sauerkraut immer selbst…mit eigenen Kartoffeln aus dem Garten und einem Stück vom selbst geschlachteten Schwein…läuft mir noch heute das Wasser im Mund zusammen…
Hallo Nadja, ich kenne Kimchi bisher nur als scharfes russisches Kraut, welches es leider immer nur mit Geschmacksverstärker fertig zu kaufen gibt. Selbst herstellen erschien mir bisher immer kompliziert, sollte aber nach Anleitung gut machbar sein 😉
Auf die Idee Ginger Beer anzusetzen wäre ich ohne den Beitrag wahrscheinlich nicht gekommen. Das würde auch gleich probiert werden.
Liebe Grüße aus Dresden, Monique
Hallo Monique, das ist ja interessant. Ich wusste nicht, dass die Russen das auch ansetzen. Mit Geschmacksverstärker ist natürlich nicht so gut. Ich drück dir die Daumen für die Verlosung 😉 Liebe Grüße in die Heimat, Nadja
Ich habe vor kurzem Sellerie fermentiert und würde gerne weiter experimentieren! Das Buch wäre eine tolle Hilfe!
Schöner Artikel, danke. 🙂
Liebe Grüße
Spannende Sache! Ein klarer Fall von zurück zur Natürlichkeit. Fermentieren ist so etwas, das ich mir immer auf dann verschiebe, wenn ich „einmal Zeit habe, probiere ich das aus“… Kenne das mit eingelegten Zucchinis von meiner Mama, aber ich als blutige Anfängerin wäre froh über ein paar Rezepte 🙂
Liebe Grüsse
Romina
Hallo, ich bin Silke und bin Newbie in der Fermentationsküche. Knoblauch, Gurken, Sauerkraut und Kimchi hab ich bis jetzt gemacht und es war soooooo lecker. Und ich möchte gerne weiter vorwärts kommen mit meinen Wissen und da würde das Buch gut passen 🙂
LG aus Hamburg
Silke
Hallo!
toller Artikel! sehr Anschaulich erklärt finde ich super 🙂
Habe mich seit kurzem mit Fermentation beschäftigt und durchforste seither das Internet für mehr Informationen. Ein Buch wäre also sehr Hilfreich, da dann leider doch manches nicht ganz so gut klappt.
Ich habe Sauerkraut mit Chilliflocken eingelegt. Es ist so scharf das man es kaum essen kann hahaha 😀
LG Daria
Hallo,ich hab auch noch keine ahnung aber große lust karotten zu fermentieren,u jogh. Fänd ich auch toll,vor allem weil jem. In ein vorherigen kommentar von kokosjogh. Sprach und mir der neulich im reformhaus gekaufte so gsrnicht gedchmeckt hatte…
Getreide ist und bleibt ein Lebensmittel mit geringem Nährwert, auch wenn es fermentiert wird. Die bei uns übliche Form der Getreidefermentierung erfolgt mit Hilfe von Sauerteig. Man soll daher seine Ernährung nicht auf fermentiertes Getreide stützen, sondern nur, wenn nötig, sparsam verwenden. Mehr dazu unter http://www.urgeschmack.de/getreide-einweichen-ankeimen-mahlen-fermentieren/
Ganz unserer Meinung 🙂
spannend ist der artikel!danke-macht richtig lust aufs fermentieren!
ich erinner mich grad dran,dass ich vor fast 20 jahren immer selber wasser-kefir gemacht und getrunken hab.das war extrem lecker und wohltuend-da muss wieder eine kultur her:-))